„Seht das Zeichen, seht das Kreuz“ – Verabschiedung der bisherigen Schulkreuze
„Ein Stück Holz, ein Kreuz, was kann das schon bedeuten?“, denkst du vielleicht.
Eine wunderbare Geschichte steckt hinter diesem Holz, hinter jedem Kreuz.
Hannes hat eine Frage, die ihn anscheinend sehr beschäftigt: „Warum nur hat jede Christenfamilie ein Kreuz in der Wohnung?“ Der Religionslehrer erzählt ihm folgende Geschichte:
Großvater ging mit Michael spazieren. Es war ein eiskalter Winternachmittag. Michael freute sich über Eis und Schnee, hopste, stapfte. Der Großvater folgte ihm lächelnd, aber mühsam. Sein Herz war krank, schon sehr krank. Michael wollte zum Teich. Dieser war zugefroren, stocksteif! „Das muss herrlich zum Eislaufen gehen!“, rief Michael, „wenigstens rutschen und schlittern möchte ich einmal probieren!“ Großpapa warnte. Dicht am Ufer stand der alte Mann, als Michael schon beide Beine aufs Eis gesetzt hatte. „Komm, Michi …“ Des alten Herrn Ruf kam zu spät. Michael schrie, er war eingebrochen durchs Eis, klammerte sich an Rand und Brocken. Zitternd streckte der Großvater seinen Stock dem Buben entgegen. Der fasste ihn, zog sich mit aller Kraft empor. All seine Kräfte aber setzte der Alte ein, um auf den Beinen zu bleiben, den Stock in den geballten Fäusten zu behalten. Die Rettung gelang. In den Armen des Retters geborgen, so eilends sie konnten, kehrten Michael und Großvater heim. Dem Buben half ein warmes Bad und das Bett über seine Beschwerden hinwegzukommen, aber für Großvater war dieses Geschehen zu viel, zu anstrengend, zu aufregend gewesen. Ein heftiger Herzanfall nahm ihm das Leben. Die Trauer seiner Lieben war groß. Bald wollten die Angehörigen das, was dem Großvater gehört hatte, wegräumen, vergeben, verschenken. Mit starrem Gesicht sah Michael zu. „Nein!“, rief er einmal, „werft den Stock nicht weg, er gehört mir! Damit hat der Großpapa mein Leben gerettet. Seines hat er dabei verloren! Solange ich lebe, will ich den Stock bei mir haben als ein Zeichen seiner Liebe zu mir!“
Der Religionslehrer brauchte nicht weiter zu sprechen. Die Buben wussten Bescheid. Hannes sagte: „ich verstehe jetzt, was einem ein Stück Holz bedeutet kann … was den Christen das Zeichen des Kreuzes ist.“
Aus: Willi Hoffsümmer, Kreuz & Quer, Seite 31